Ein Schritt zur Gründung – ein Schritt in die Zukunft

Deutschland braucht weniger Formulare, mehr Service und Vertrauen in den Wandel – damit Ideen schneller umgesetzt werden können.

Im Jahr 2012 landete ich am Changi Airport in Singapur und erlebte eine kleine Zeitreise. Die futuristische Atmosphäre und die bemerkenswerte Effizienz der Abläufe standen in starkem Kontrast zu den oft langwierigen und bürokratischen Prozessen, die ich aus Deutschland kannte. Diese Reise durch die verschiedenen Wirtschaftssysteme Singapurs, Myanmars und Deutschlands hat meine Sicht auf Innovation und Bürokratie nachhaltig geprägt. 

Singapur, 2012/2013: Die hochgradig digitalisierte und gut durchdachte Infrastruktur beeindruckte mich sofort. Alles – von der Eröffnung eines Bankkontos bis hin zur Beantragung einer Arbeitserlaubnis – verlief hier reibungslos. Die Verwaltung war vom Servicegedanken geprägt. Unternehmen konnten in nur zwei Wochen gegründet werden, und das exzellente öffentliche Verkehrsnetz ermöglichte einen stressfreien Arbeitsweg. 

Ganz anders sah es in Myanmar aus, wo ich von 2013 bis 2017 lebte und arbeitete. Hier prägten Stromausfälle, chaotische Bürokratie und ein herausforderndes Geschäftsumfeld den Alltag. Dennoch war eine Aufbruchsstimmung zu spüren und das Land veränderte sich in dieser Zeit rasant. Niemand wartete auf langwierige Gesetzesänderungen, man baute auf pragmatische Maßnahmen wie zum Beispiel den Einsatz sogenannter One-Stop-Shops. Diese zentralen Behörden kümmerten sich um alle Belange von Investoren, oft verbunden mit Special Economic Zones, die mit steuerlichen Vorteilen lockten. 

Zurück in Deutschland im Jahr 2017 stellte ich fest, dass die Prozesse nach wie vor langsam und bürokratisch waren. Die Gründung eines Unternehmens nahm deutlich mehr Zeit in Anspruch als in Singapur, und eine Vielzahl von Regularien schränkte die Innovationskraft ein. Deutschland schien in einem Reformstau festzustecken, trotz der enormen Potenziale, die das Land zu bieten hat. 

Um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft langfristig zu sichern, sind meiner Meinung nach vier zentrale Anstöße erforderlich: 

  • Eine positive Vision für die Zukunft entwickeln und die Menschen einbinden: Deutschland braucht eine proaktive Kommunikation über die Chancen neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz. Dabei sollte der Fokus nicht nur auf den Möglichkeiten liegen, sondern es sollten auch die Ängste der Bürger*innen ernst genommen und ihnen Orientierung geboten werden, um Vertrauen in den Wandel zu schaffen. 
  • Servicementalität in der Verwaltung etablieren: Die Verwaltung muss bürger- und unternehmerfreundlicher werden. Dies erfordert grundlegende Reformen sowohl in den Prozessen als auch in der Ausbildung des Verwaltungspersonals. Ein stärkerer Fokus auf den Servicegedanken würde die Interaktion zwischen Bürger*innen und Unternehmen erheblich verbessern.
  • Bürokratie abbauen: Bürokratische Hürden müssen konsequent gesenkt und Prozesse, wie etwa die Unternehmensgründung, erheblich beschleunigt werden, um Investitionen zu fördern. Ähnlich wie in Myanmar sollte es pragmatische Lösungen geben, etwa durch die Einführung von One-Stop-Shops, die alle Schritte für eine Gründung oder Investition bündeln. Ein klares Ziel könnte lauten: «Ein Gang für eine Gründung – ein Gang für eine Investition.» 
  • Bildung für die Zukunft stärken: Bildung sollte verstärkt digitale Kompetenzen und Innovationsfähigkeiten vermitteln. Schulen und Universitäten müssen ihre Curricula gezielt auf die Herausforderungen der Zukunft ausrichten, um junge Menschen auf die Anforderungen einer zunehmend digitalen Welt vorzubereiten. 

Veränderung braucht Mut, Vertrauen, klare Schritte – und eine offe­­ne Haltung. So lässt sich Zukunft gestalten. 


Yasemin Derviscemallioglu ist als Chefsyndikus eines SaaS-Unternehmens tätig. Sie hat mehr als zehn Jahre in Afrika und Südostasien gelebt und gearbeitet, wo sie als Miteigentümerin und General Manager im Business Development und in der Beratung u.a. von Investoren tätig war. 

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